Im Rahmen seiner Tätigkeiten nimmt der Verband Ingenieur-Geometer-Schweiz (IGS) Veränderungen im Bereich der amtlichen Vermessung wahr, die im Spannungsfeld zwischen privater Organisationsautonomie und staatlichem Auftrag stehen. Die Übernahme verschiedener Geometerfirmen durch die BKW hat nun gezeigt, dass betriebswirtschaftliche Entscheide und Veränderungen den Wettbewerb mindestens teilweise in Frage stellen.
Die IGS hat in einem Rechtsgutachten abklären lassen, was die Pflicht zur Unabhängigkeit der patentierten Ingenieur-Geometerinnen und Ingenieur-Geometer, die Arbeiten der amtlichen Vermessung ausüben wollen, genau bedeutet und was die Verletzung der Pflicht bedeutet. Anhand dreier konkreter Fälle wurde diese Grundsatzfrage abgeklärt.
Das Gutachten Titel «Eigenverantwortung und Unabhängigkeit der Ingenieur-Geometerin / des Ingenieur-Geometers im sich verändernden Wirtschaftsumfeld» von Dr. iur. Meinrad Huser, hat die bestehenden Berufspflichten untersucht und kommt zu folgenden Schlüssen:
(1) Wer Arbeiten in der amtlichen Vermessung ausüben will, muss im Geometerregister eingetragen sein. Dieser Eintrag erfolgt nach einer umfassenden Ausbildung und aufgrund einer Staatsexamens sowie einer regelmässigen Weiterbildung. Wer Berufspflichten verletzt und vom Register ausgeschlossen wird, kann keine Arbeiten der amtlichen Vermessung mehr ausführen; neue «Aufträge» dürfen nicht mehr erteilt werden und bestehende Verträge sind gegebenenfalls aufzulösen.
(2) Die Tätigkeiten der amtlichen Vermessung, die den patentierten und im Register eingetragenen Ingenieur-Geometerinnen und -Geometern vorbehalten sind, stellen hoheitliche Aufgaben dar. Die Ingenieur-Geometerin bzw. der Ingenieur-Geometer übt, namentlich bei der Nachführung der amtlichen Vermessung, Arbeiten aus, die mit der Funktion der Notare vergleichbar sind. Es sind deshalb nicht nur an die fachlichen Kompetenzen, sondern auch an die Berufspflichten im Alltag hohe Ansprüche zu stellen.
(3) Bei den Berufspflichten ist in erster Linie die Pflicht zur Unabhängigkeit von Bedeutung. Dabei – so das Gutachten –kommt der fachlichen Unabhängigkeit absoluter Vorrang zu. Sie wird durch das strenge Ausbildungs- und Prüfungsverfahren und eine dauernde Beschäftigung in der amtlichen Vermessung erreicht sowie durch eine regelmässige Weiterbildung aktuell gehalten. Ohne fachliche Unabhängigkeit sind die Verbindlichkeit des Vermessungswerks und damit die Sicherheit des Grundstückverkehrs in Frage gestellt.
(4) Die persönliche Unabhängigkeit ist im Einzelfall dann von Bedeutung, wenn Verwandtschaften oder andere Befangenheiten (Kollegschaften, Vorbefassung) die fachlich sachgerechte Mutation in Frage stellen können.
(5) Die betrieblich-technische Unabhängigkeit schliesslich sichert dem Geometer die eigenständige Verfügbarkeit der technischen Infrastruktur (Computer, Datenbanken und -verbindungen). Diese Voraussetzung ist nicht Teil der Berufspflichten. Andererseits ist die Verfügbarkeit, verbunden mit hohen Investitionen, unabdingbar für eine gesicherte digitale Vermessung.
(6) Kotrollorgan ist die Eidgenössische Geometerkommission (zusammen mit der kantonalen Vermessungsaufsicht). Stellt sie Verletzungen der Berufspflichten fest (fehlende Unabhängigkeit, ungenügende Weiterbildung), muss sie Massnahmen ergreifen. Die Massnahmen müssen verhältnismässig sein, können aber auch zum Ausschluss aus dem Geometerregister führen.
(7) Das Gutachten kommt in den drei konkreten Fällen zu folgendem Schluss: - Wer infolge von Betriebszusammenschluss oder -übernahme über die Geschicke der Vermessungstätigkeit innerhalb der neuen Organisation nicht mehr frei entscheiden kann, verliert die geforderte Unabhängigkeit.
- Wer aus persönlichen Gründen die Arbeiten der amtlichen Vermessung nicht mehr ausführen kann (den Verlust der Handlungsfähigkeit oder des Fachwissen bzw. der Erfahrung infolge Aufgabe der praktischen Tätigkeit), verliert die Unabhängigkeit und muss an sich aus dem Geometerregister gestrichen werden.
- Wer nicht frei über eine technische Infrastruktur oder personelle Unterstützung verfügen kann, die von der Vermessungsaufsicht zugelassen wurde, darf – trotz vorhandenem Fachwissen – keine Arbeiten der amtlichen Vermessung mehr ausführen.
Im Nachgang zum Gutachten wurde bei den Kantonalen Vermessungsaufsichten eine Umfrage durchgeführt mit dem Ziel, die unterschiedlichen Anwendungsfälle zu erfassen um diese im Sinne einer Best Practice allenfalls optimieren zu können.
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